Möglichkeiten und Grenzen des Online-Unterrichts mit Zoom. Ein Erfahrungsbericht

Universitäre Lehre mittels Video-Konferenz-Software und anderer Tools war bislang noch weniger angesagt als das sprichwörtlich ungeliebte Stiefkind. Die durch COVID-19 verursachte Absage des Sommersemesters 2020 im klassischen Präsenzmodus hat hier zu einem Umdenken geführt. Im ganzen Land finden Vorlesungen und Seminare nun, ob synchron oder asynchron, im Online-Format statt. Vor diesem Hintergrund schildere ich folgend meine persönlichen Erfahrungen bei der Nutzung der Microsoft-Anwendung „Zoom“ (Fragen des Datenschutzes lasse ich beiseite, da die Entscheidung zur Nutzung bzw. Nichtnutzung vorab vom Arbeitgeber zu treffen ist).

Zoom bietet verschiedene Funktionen, um Lehre ohne große Abstriche auch online im Live-Modus gestalten zu können. Unterrichtselemente wie Gruppenarbeit, Referate mit Folien und das gemeinsame Sammeln von Aspekten am Whiteboard können problemlos eingebunden werden. Allerdings erfordert Lehre via Computer von allen Beteiligten sowohl ein Mehr an Rücksichtnahme als auch die Bereitschaft, aktiv am Unterrichtsgeschehen mitzuwirken.

Will man die volle Seminardauer von 90 Minuten anbieten, sollte man sich vorab genau überlegen, welche Funktionen wann eingesetzt werden. Dabei ist ein abwechslungsreicher Mix zu empfehlen, will man die Aufmerksamkeit der Studierenden nicht verlieren, was im Online-Unterricht merklich schneller geschieht. Bei einer in Seminaren üblichen Teilnehmerzahl zwischen 20 und 30 Personen ist es in der sogenannten Galerieansicht zwar möglich, alle Gesichter zu sehen, doch werden die angezeigten Bildschirmausschnitte immer kleiner, je mehr Teilnehmer dabei sind. 

Daher kann man als Dozent – anders als im Seminarraum – das Ausklinken einzelner kaum an Gestik und Mimik ablesen. Zudem verstärkt das Online-Format in Sachen Beteiligungsbereitschaft bestehende Charaktere: Wer sich generell aktiv am Seminar beteiligt, hat auch online keine Schwierigkeiten. Eher zurückhaltende Personen sollten online aber gezielt eingebunden werden. Da man nicht gemeinsam in einem Raum sitzt, fehlt überdies allen die Chance zur normalen sensorischen Wahrnehmung des anderen. Das führt bei Vielen zu einer eher abwartenden Haltung, die es durch Ansprache aktiv aufzubrechen gilt. 

Online-Lehre führt auch zu einem veränderten Zeitempfinden. Gibt man im klassischen Unterricht eine Frage ins Plenum, ist es normal, bis zu einer Antwort 30 Sekunden und mehr an Bedenkzeit einzuräumen. Online kommen einem 30 Sekunden Schweigen wie eine Ewigkeit vor. Das muss man als Dozent aushalten, will man nicht in einen Modus verfallen, der am Ende auf eine verschärfte Form des Frontalunterrichts hinausläuft.

Mittels der sogenannten Breakout-Sessions kann in Zoom in Kleingruppen gearbeitet werden. Die Aufteilung der Studierenden kann dabei per Zufallsgenerator erfolgen oder gezielt vorgenommen werden (wer feste Gruppen möchte, kann dies schon vorab einstellen). Als Dozent hat man zudem die Möglichkeit, die Kleingruppen zu besuchen –  ganz so, als ob man durch den Seminarraum schreitet. Das Ende der Gruppenarbeit lässt sich ad hoc vollziehen, kann aber auch so gestaltet werden, dass vorab ein Countdown von 60 Sekunden läuft, sodass die Gespräche in den Gruppen nicht abrupt abgebrochen werden. 

Alle Inhalte, die im Seminarraum über einen Beamer gezeigt worden wären, lassen sich auch in Zoom präsentieren. Über die Funktion „Bildschirm teilen“, kann der Dozent allen seinen Desktop zeigen. So können z. B. Fachdatenbanken im Internet vorgeführt und Power-Point-Folien präsentiert werden. Inhalte, die sonst am Whiteboard gelandet wären, lassen sich gut in einem Word-Dokument zeigen. Will man diese Funktion im Unterricht benutzen, empfiehlt es sich, die entsprechenden Browser-Fenster oder Office-Anwendungen schon vor Unterrichtsbeginn aufzurufen.

Diese Funktion ermöglicht es auch Studierenden, die Folien für ihre Referate oder vorbereiteten Inputs abzuspielen. Um diese Funktion nutzen können, sind ihnen vorab die entsprechenden Nutzungsrechte einzuräumen. Wichtig ist in diesem Kontext zudem, dass – anders als im Seminarraum – die Power-Point-Folien bei Referaten keine lediglich unterstützende Funktion haben, sondern überaus prominent als einziges zu sehen sind. Die körperliche Präsenz von Referierenden tritt hingegen in den Hintergrund – nur die Stimme ist zu hören. Darauf sollte man die Studierenden vorbereiten, zumal viele der kleinen Tipps, die man ihnen im Kontext von Referaten normalerweise mitgibt, damit sie nach und nach zu geübten Performern am Rednerpult werden, online ins Leere laufen. 

Zoom erlaubt darüber hinaus kollaboratives Arbeiten an einem virtuellen Whitebord, auf das alle Teilnehmer in unterschiedlichen Farben schreiben können.

Wie bereits angesprochen, verlangt universitäre Lehre mit Zoom vom Dozenten ein höheres Maß an Vorbereitung und Vorausdenken. Daher empfiehlt sich die Nutzung weiterer Programme: Das können Lernplattformen zur Bereitstellung von Aufgaben und Materialien (wie z. B. Moodle) sein; Zoom bietet zudem die Möglichkeit, kleine Tutorials auf Video aufzunehmen, die sich während des Unterrichts sowie zur Vor- bzw. Nachbereitung von Lehrinhalten nutzen lassen.

Die verschiedenen Funktionen von Zoom sollte man vor dem Einsatz im Unterricht durchgetestet haben, wofür man Kollegen zu einem Meeting einladen kann. Dabei ist es wichtig, die Programmoberfläche auch aus der Perspektive der Teilnehmer zu kennen, um bei etwaigen Schwierigkeiten im Unterricht Hinweise geben zu können.

Abschließend noch der Hinweis auf die sogenannte Warteraumfunktion in Zoom. Sie sorgt dafür, dass Personen mit Einladung zum Meeting nicht automatisch in der Sitzung landen, sondern vorab individuell freigeschalten werden müssen. Diese Funktion lässt sich z. B. gut für virtuelle Sprechstunden nutzen. So muss man nur einmal eine Meeting-ID erzeugen und kann sie allen Teilnehmer zu Semesterbeginn mitteilen.